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Motherboard: April 2025

Wir müssen über das Wetter reden. Denn was Loraine James mit ihrem Ambient-Alias Whatever The Weather auf Album Nummer zwei Whatever The Weather II (Ghostly International, 14. März) macht, ist schlicht sensationell und einzigartig. Wo doch Ambient aus Wetter und Naturklängen eines der kanonisch durchdeklinierten Genres überhaupt ist, quasi der Northern Soul der ozeanischen Klänge. Allerdings nicht bei James. Die Beats ihres schräg angeschnittenen Rumpel-Holper-Hop sind zu verkohlten Bruchstücken runtergebrannt, abgeschrubbt und zum Recycling freigegeben. Was bleibt, ist das atmosphärische Rumpeln der Field Recordings und Glitches, das Flimmern der Pads, ein Wetter, das noch bei einem Grad Celsius Wärme spendet, ein ganzes Klima, das gerettet wird.

Konzeptuelle Kopfstrenge und das humane Verlangen nach emotionaler Anschlussfähigkeit finden im Werk des Berliners Mario Verandi sehr einfach und direkt zusammen. Es sind wohlgeformte, tief durchdachte Klangskulpturen, die Face against Sky (Play loud!, 31. Januar) bevölkern, unmittelbar lesbar als cinematisch-evokative Ambient-Electronica, synthetisch, doch mit akustischen Elementen. Mengen vielfältiger Sounds, die locker ihre Widersprüche aushalten – und genau darin provozieren, sich Bilder zu ihnen vorzustellen. Breitwandige, bewegte Bilder, gerne mit einer wohldosierten Portion Pathos von exzellent inszenierter Intimität.

Wandering Astray, das Berliner Ambient Label von „Flexonaut” Felix Göllner nimmt langsam Gestalt an. Nach der schönen klassischen Electronica des Niederländers Tomlaan nun eine kurze, aber gehaltvolle EP von GRDN. (mit Punkt). Die Daun EP (Wandering Astray, 7. März) schwelgt in avanciertem Sounddesign, macht wenig anders, aber doch alles richtig. Unmarkiert von Mikrogenres oder Markrostilen sind das drei kurze feine Stücke freier Elektronik. Die Reminiscence EP (Mü-Nest, 24. Februar) des japanischen Producers Moshimoss führt ebenfalls in interessante Seitenwege von Ambient. Flächig schwelgend, aber doch mit rhythmischen Akzenten. Reich an Textur, aber ebenso an flüchtiger Melodik.

Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.

Wie lässt sich die blutige Historie eines gestürzten Diktators adäquat bebildern, wie vertonen? Die Herausforderungen, die Laryssa Kim für Mobutu’s Game (Pias, 17. Februar) zu meistern hatte, waren nicht gerade trivial. Ihr Soundtrack zu Guillaume Graux‘ Doku-Serie über den kongolesischen Gewaltherrscher überzeugt durch zweckdienliche Radikalität, und zwar restlos. Die Klänge sind ebenso durchdacht wie auf ihrem wohlgeformten Album Contezza, aber doch freier, chaotischer und experimenteller. Kim lässt Stimmen umherschwirren, geisterhafte Melodie-Fragmente durch brummende Bässe und Feedback-Drone laufen. In aller Konsequenz erwächst daraus kein abweisender Collagen-Noise, sondern spektraler Ambient, den noch (zu) lebendigen Erinnerungen an vergangenes Unrecht, an nicht abgearbeitetem Trauma jederzeit angemessen.

Vom Hyper-Pop zur Neoklassik zur freien Improvisation zum Ambient und wieder zurück. Geht offenbar ganz einfach, wenn man Nicole Miglis ist. Die Musikerin (zum Beispiel an der Solo-Flöte in Projekt Batry Powr) und Sängerin (unter anderem für Bonobo) aus Los Angeles hat auf Re:Communicating (7K!, 7. März) das 2017er-Album Communicating ihrer elektronischen Indie-Pop-Band Hundred Waters einer akustisch-instrumentalen Überarbeitung für Solopiano unterzogen. Einfach so, weil sie es kann – und darin erwartungsgemäß überzeugender und origineller ist als das Gros des gut verkäuflichen neoklassischen Piano-Einheits-Allerlei.

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